Donnerstag, 29. Mai 2008

Der „Kampf für eine gerechte Sache“ ist kein Strafmilderungsgrund bei Verbrechen des Völkerstrafrechts!


Dies geht aus einem Urteil vom 28. Mai 2008 der Berufungskammer des Sondergerichtshofs für Sierra Leone hervor. Die Berufungskammer hob damit das Urteil der ersten Instanz gegen Moinina Fofana und Allieu Kondewa auf und erhöhte ihre Haftstrafe von 6 bzw. 8 Jahren auf 15 bzw. 20 Jahre.


Die beiden Verurteilten wurden am 9. Oktober 2007 der Kriegsverbrechen für schuldig befunden, darunter Morde, Brandschatzung und Plünderung sowie der Terrorisierung der Zivilbevölkerung. Die Richter der ersten Instanz berücksichtigten aber den Umstand als strafmildernd, dass die Täter im Glauben handelten, mit ihren Massnahmen die Demokratie zu verteidigen und verkürzten die Haftstrafe massiv.


Politische Überlegungen können und dürfen keine Entschuldigung für Verbrechen gegen das Völkerstrafrecht sein. Es ist nicht akzeptierbar, dass die Bestrafung eines Verbrechens wie beispielsweise Folter oder der Einsatz von Kindersoldaten davon abhängig gemacht wird, auf welcher Seite der Täter stand – ob er für die „gerechte Sache“ kämpfte oder nicht. Eine Akzeptierung der „just cause“ als mildernder Umstand würde zu einer Ungleichbehandlung der Opfer führen und widerspräche dem Grundprinzip des humanitären Völkerstrafrechts, wonach sich alle Konfliktparteien – unabhängig des Konfliktgrunds – an dieselben Grundregeln halten müssen.


Das Urteil der Berufungskammer ist ein wichtiger Schritt in der Verfolgung von Verbrechen des Völkerstrafrechts.

Rechtsgutachten „Political Considerations in Sentence Mitigation for Serious Violations of the Laws of War before International Criminal Tribunals“ von Human Rights Watch
Pressemitteilung des Spezialgerichtshofs für Sierra Leone

Freitag, 23. Mai 2008

Jaques Vergès - Der Advokat des Terrors



Gestern startete der Dokumentarfilm "L'avocat de la terreur" in den Deutschschweizer Kinos. Der Film von Barbet Schroeder durchleuchtet auf sehr eindrückliche Art das Leben von Jaques Vergès, dem umstrittenen französischen Anwalt, welcher Kriegsverbrecher, Terroristen und Folterer wie Klaus Barbie, Carlos, Slobodan Milošević, Tarik Aziz, Khieu Samphân zu seinen Klienten zählt.

Offizielle Webseite: http://www.terrorsadvocate.com/

Donnerstag, 15. Mai 2008

Juristische und literarische Aufarbeitung der Rekrutierung von Kindersoldaten

Am 23. Juni 2008 beginnt vor dem internationalen Strafgerichtshof (ICC) das erste Verfahren wegen der Rekrutierung von Kindersoldaten. Der kongolesische Rebellenführer Thomas Lubanga wird beschuldigt, Kriegsverbrechen begangen zu haben, indem er Kinder von weniger als 15 Jahren in die Streitkräfte aufgenommen und bei den kriegerischen Auseinandersetzungen eine aktive Rolle hatte spielen lassen.

Seit Januar 2008 läuft zudem das Verfahren gegen Charles Taylor, den ehemaligen Präsidenten von Liberia, vor dem Spezialgerichtshof für Sierra Leone. Auch er wird beschuldigt, unter 15-jährige Kinder rekrutiert und benutzt zu haben und damit das humanitäre Völkerrecht in schwerwiegender Weise verletzt zu haben. Auf der Webseite des Gerichtshofs kann der Prozess gegen Taylor täglich live mit einem Video-Stream verfolgt werden.

Vor wenigen Tagen ist die deutsche Übersetzung des Erfolgsroman „Du sollst Bestie sein!“ (im Original „Beasts of no nation“) von Uzodinma Iweala erschienen. Der Autor erzählt die fiktive Geschichte des neunjährigen Agu, der als Kindersoldat schlimmste Verbrechen begeht. Für Aufsehen sorgte der Roman vor allem wegen seiner ungewöhnlichen Sprache: Die Geschehnisse werden aus der Perspektive von Agu in der Ich-Form und in der Gegenwart geschildert, in einer einfachen, lautmalerischen Sprache und ohne explizit moralischen Wertungen. Als Leser ist man hin- und hergerissen zwischen Mitleid mit dem Opfer Agu und Abscheu vor dem Täter Agu.

Uzodinma Iweala, Du sollst Bestie sein!, Ammann-Verlag, Zürich 2008