Donnerstag, 24. April 2008

Europäisches Parlament debattiert über Anerkennung von Völkermord und Kriegsverbrechen, welche durch totalitäre Regime verübt wurden

Letzten Montag, am 21. April 2008, berichtete Jacques Barrot, Vize-Präsident der Europäischen Kommission, über die Anhörung zum Thema „Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und durch totalitäre Regime verübte Kriegsverbrechen“.

Die von der Europäischen Kommission und des slowenischen Präsidenten organisierte Anhörung befasste sich vor allem mit der Aufarbeitung und Anerkennung von unter Stalin verübten Verbrechen. Aber auch andere totalitäre Regimes, wie jenes von Franco in Spanien, von Salazar in Portugal, von Mussolini in Italien und die Militärdiktatur in Griechenland sollten nach der Meinung einiger Parlamentarier untersucht werden.

Die Kommission kam zum Schluss, dass die Wahl der Mittel zur Aufarbeitung der Verbrechen in erster Linie bei den einzelnen Staaten liege. Die Aufgabe der Union sei vor allem die Unterstützung dieser Prozesse und die Bereitstellung von gemeinsamen Programmen. Diese eher passive Haltung wurde aber am Montag von mehreren Parlamentariern kritisiert. Der Abgeordnete der Grünen, Daniel Cohn-Benedit betonte die Rolle des internationalen Strafgerichtshofs in der Aufarbeitung solcher Verbrechen. Gerechtigkeit könne nur erreicht werden, wenn die Verbrechen justiziabel gemacht und die Verantwortlichen vor Gericht gebracht würden. Die Europäische Union müsse sich daher bemühen, dass alle zivilisierten Staaten diesen Gerichtshof anerkennen.

Protokoll der parlamentarischen Debatte vom 21. April 2008:
http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?pubRef=-//EP//TEXT+CRE+20080421+ITEM-015+DOC+XML+V0//EN&language=EN

Freitag, 11. April 2008

Völkermord in Ruanda: neues Interview über die Rolle der USA und der UNO

Die linke Tageszeitung „Junge Welt“ veröffentlichte am 31. März 2008 ein Interview mit Chris Black, einem kanadischen Strafverteidiger am Internationaler Strafgerichtshof für Ruanda (u. a. für General Augustin Ndindiliyimana) und Mitglied des Internationalen Komitees für die Verteidigung von Slobodan Milosevic, das dessen Todesumstände untersucht.

Er vertritt die These, dass der Völkermord der regierenden Hutu an den Tutsi in Wirklichkeit ein terroristischer Krieg der Rebellenorganisation RPF gegen die Regierung und das Volk Ruandas war, welcher von den USA und ihren Alliierten unterstützt wurde. Er spricht daher nicht von einem Völkermord, sondern von einem, von den USA gesteuerten „Regime Change“ gegen die sozialistische (Hutu-) Regierung. In diesem Sinne sieht er folglich auch den internationalen Strafgerichtshof für Ruanda als Propagandainstrument der RPF (und der Interessen der USA), welcher die wirklichen Vorfälle zu vertuschen versucht.

Das kontroverse Interview ist auf der Internetseite der „Jungen Welt“ nachzulesen: http://www.jungewelt.de/2008/03-31/059.php

Mehr über den Anwalt Chris Black ist hier zu finden:
Wikipedia: http://en.wikipedia.org/wiki/Christopher_Black (englisch)
Ein Bericht über Chris Black und weitere „Verschwörungstheoretiker“ in: http://www.guardian.co.uk/media/2004/nov/30/pressandpublishing.marketingandpr (englisch)

Schweizer Mithilfe am Völkermord in Ruanda?

Der Schweizer Schriftsteller Lukas Bärfuss erzählt in seinem Roman „Hundert Tage“ die Geschichte eines Schweizer Entwicklungshelfers, der Anfang der 90er Jahre nach Ruanda fährt und den Völkermord miterlebt. Eine zentrale Rolle spielt im Buch die Frage der Mitschuld der Schweiz an der Ermordung Hundertausender Tutsi durch den regierenden Hutu. Sein Buch ist äussert provozierend und höchst interessant zu lesen.

Klappentext: Ruanda, April 1994, in Kigali wütet der Mob. David, Mitarbeiter der Schweizer Entwicklungshilfe, hat das Flugzeug, mit dem die letzten Ausländer evakuiert wurden, abfliegen lassen. Er versteckt sich hundert Tage in seinem Haus, vom Gärtner mit Nahrung versorgt - und mit Informationen über Agathe, Tochter eines Ministerialbeamten, die der Grund für sein Bleiben ist. Die vergangenen vier Jahre ihrer Liebe ziehen ihm durch den Kopf, die Zeit, die er als Entwicklungshelfer in Kigali verbrachte. Millionen wurden in ein totalitäres Regime gepumpt, das schließlich, als es die Macht an eine Rebellenarmee zu verlieren drohte, einen Genozid organisierte. Auch David wurde zum Komplizen der Schlächter, und als die Aufständischen Kigali einnehmen, flieht er mit den Völkermördern über die Grenze. Dort findet er in einem Flüchtlingslager Agathe wieder, aber es ist nicht die Frau, die er einmal liebte.

Streitgespräch zwischen dem Autor und Martin Fässler, Mitarbeiter der DEZA (Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit): http://www.tagesanzeiger.ch/dyn/news/varia/858975.html

Ein weiteres empfehlenswertes Buch über die Mitschuld der Weltgemeinschaft am Völkermord in Ruanda ist auch „Handschlag mit dem Teufel. Die Mitschuld der Weltgemeinschaft am Völkermord in Ruanda“ von Roméo Dallaire, dem ehemaligen Kommandeur der UN-Blauhelmtruppe in Ruanda.

Lukas Bärfuss: Hundert Tage. Wallstein Verlag, Göttingen 2008